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Textuelle Selbstverstümmelung

By webmaster | Dezember 9, 2016

Nachdem ich vor drei Jahren wegen der Einführung des Leistungsschutzrechts schon sämtliche Zitate aus vergangenen Blogbeiträgen löschen musste, kam es gestern noch schlimmer.

Nach einem Urteil des Langerichts Hamburg muss ein Webseitenbetreiber haften, wenn auf von ihm verlinkten Seiten Urherberrechtsverletzungen begangen werden. Im konkreten Fall hatte ein Webseitenbetreiber auf eine fremde Webseite verlinkt, die ein Bild eingebunden hatte, das nicht ordnungsgemäß lizensiert war. Diese Tatsache war für den Verlinkenden nicht offensichtlich zu erkennen. Dennoch wurde er haftbar gemacht.

Natürlich ist es vollkomen unpraktikabel, alle Links permanent auf mögliche Urheberrechtsverletzungen zu überprüfen. Auch seriöse Zeitungen haben schon aus Versehen Bilder verwendet, die sie nicht lizensiert hatten, so dass man sich wirklich nicht darauf verlassen kann, dass das Ziel des Links frei von jeglichen Urheberrechtsverletzungen ist.

Der Webseitenbetreiber bleibt nun anscheinend auf 6000 Euro Streitwert sitzen.

Weil ich mit meinen Einnahmen über Werbung noch nicht einmal die Betriebskosten des Servers decken kann, bleibt mir nun nichts weiter übrig, als radikal alle Links in allen Artikeln zu entfernen. Das bedeutet leider, dass viele Artikel fast bis zur Unverständlichkeit verstümmelt wurden, da ich mich darin stark auf die verlinkten Artikel bezog. Die wegen des Leistungsschutzrechts ebenfalls entfernten Zitate machen die Situation nicht besser. Meine Artikel lebten üblicherweise davon, dass ich Meldungen aus überwiegend „seriösen“ Quellen wie der FAZ, der Zeit, usw. in einen neuen Kontext gestellt, und die Quellen eben durch Links akribisch dokumentiert und nachvollziehbar gemacht habe.
Diese Arbeit, die mich viele hundert Stunden gekostet hat, ist nun zerstört.

Dieses Blog ist von den aktuell gehypten Fake-News-Seiten nun nicht mehr zu unterscheiden, da ich die diskutierten Fakten nicht mehr nachweisen darf, ohne das Risiko einzugehen, zehntausende Euro an Abmahnkosten zu berappen.

Vielleicht kommt dieser Effekt, der natürlich auch wichtigere alternative Medien als ausgerechnet mein Blog trifft, auch so manchem nicht ungelegen. Er erschwert es ungemein, auf glaubwürdige Weise unkonventionelle Interpretationen aktueller Ereignisse zu vermitteln, was das Meinungsmonopol der etablierten Medien festigt.

Ich werde versuchen, das Urteil in diesem Blog zu verlinken, aber zunächst muss ich eine Erklärung des Landgerichts Hamburg einholen, die mir garantiert, dass auf deren Webseite weder heute noch zukünftig Urheberrechtsverletzungen begangen werden. Da heutzutage auch wegen des Leistungsschutzrechts jedes Zitat eine Urheberrechtsverletzung sein kann, könnte dies schwierig sein, und eine Weile dauern. Zum Glück hat der Heise Verlag ein entsprechendes Anschreiben seines Justiziars veröffentlicht, das ich als Vorlage für eine Anfrage verwenden kann (natürlich kann ich hierauf nicht verlinken, so leid es mir tut).

Insgesamt findet in Deutschland derzeit eine katastrophale Fehlentwicklung statt, was Presse- und Meinungsfreiheit betrifft. Auch ein großer Verlag wie der Heise Verlag muss nun wahrscheinlich wochenlang auf Antworten warten, wenn er eine deutsche Behörde in einem Bericht verlinken möchte (von Links zu gewerblich betriebenen Webseiten oder gar Seiten im Ausland ganz zu schweigen). Eine aktuelle Berichterstattung, die dem Leser auch Links auf Quellen für eigene Recherchen bietet, ist wahrscheinlich generell nur noch schwer umzusetzen.

Topics: Allgemein, Gesellschaft, Politik

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